Lebenslangweilig

Immer wieder beobachte ich, wie sich Dinge im Leben zusammenfügen, wie einem Menschen, Bücher, Informationen über den Weg laufen, nach denen man insgeheim gerufen oder gesucht hat.

Diese Woche führte ich mit meiner Freundin ein Gespräch darüber, dass mir langweilig ist. Ich meine nicht dieses Ich-habe-nichts-zu-tun-Langweilig, mein Gott, ich habe Kinder, nein, ich meine fad. Ich finde einfach keinen anderen Begriff für das, was ich meine und auch der Thesaurus ist da wenig hilfreich mit Synonymen zwischen öde, quälend, monoton und gehaltlos. Weil all das trifft es nicht. Ich stehe mitten im Leben, was auch immer der Einzelne darunter versteht. In meinem Fall heißt es, dass ich mit ganzem Herzen versuche, das Beste für meine Kinder zu geben, mit Freude meiner Arbeit nachgehe und ja, lebe. Und das jeden Tag, immer wieder von vorne und vermutlich – sofern nichts dazwischen kommt – die nächsten 35-45 Jahre. Jeden Morgen aufstehen, dem Leben folgen, abends ins Bett gehen, wieder aufstehen usw. Natürlich kann ich die Tage mit lustigen, an-und aufregenden Dingen füllen, das Leben bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten. Dennoch empfinde ich es wie ein Zeitvertreib, wie ein Warten.

Ich muss dazu sagen, mir geht es gut. Das ist kein Gedanke, der mich in eine tiefe Depression stürzt, auch wenn es sich vielleicht für den ein oder anderen so liest. Nein, es ist etwas, was ich an mir wahrnehme. Ich glaube an Gott, die Liebe, daran, dass alles mehr oder weniger seinen Sinn hat und daran, dass mit dem Tod nicht alles aufhört, sondern anfängt. Ich habe hart an mir gearbeitet, um da zu stehen, wo ich heute bin, bin oft gefallen und immer wieder aufgestanden,  trotz oder vielleicht gerade wegen meines unprivilegierten Start in das Leben. Ich passe sehr gut auf mich auf, damit ich meinen Kindern jeden Tag das Beste geben kann, was mir einmal mehr und manchmal weniger gelingt, wie vermutlich jedem von uns. Umso mehr bin ich von dieser Wahrnehmung überrascht und verwirrt. Offensichtlich habe ich etwas noch ganz gehörig nicht begriffen.

Zurück zu meiner Freundin und dazu, wie einem Informationen begegnen. Sie meinte, dass Langeweile vielleicht auch etwas Positives ist. Dass es eine Möglichkeit bietet, mal durchzuschnaufen und sich umzuschauen, um sich zu orientieren. Und das ist ein spannender Gedanke, denn er macht das Ganze weniger schwer, sondern zu einer Chance. Und am selben Tag fahre ich nach Hause und höre im Auto die CD von Jasper Juul, in dem er die 4 Werte beschreibt, die Kinder ein Leben lang tragen. Was Juul dort beschreibt, bietet momentan ganz viele Ansätze für mich persönlich, ich bin es, die sich ganz viel da rausholt und immer wieder tief berührt ist.

Wie es der Zufall will, behandelt er das Thema Langeweile. Es geht da mehr um die Frage, ob Eltern immer für eine optimale Beschäftigung ihrer Kinder sorgen müssen oder ob sie ihnen Langeweile zumuten können. Juul schlägt vor, die Kinder sich langweilen zu lassen und dies mit reinem Gewissen. Die Begründung ist es, die für mich sehr interessant ist.

Juul erklärt, dass die meisten Kinder – sicher auch Erwachsene – eine unangenehme innere Unruhe verspüren, sobald sie sich langweilen. Langeweile sei ein Versuch, eine Balance zu finden zwischen der eigenen inneren Kreativität und dem Konsumieren von außen kommenden Reizen. Sie sei ein Schlüssel zur inneren Balance, wer diesen Zustand eine Weile aushalte und die Unruhe vorbeiziehen lasse, der komme in Kontakt mit seiner schöpferischen Kreativität.

„Langeweile ist ein wichtiger Schlüssel, um zur Kreativität zu finden. Kreativität bedeutet, sich selbst zu spüren, sich selbst kennenzulernen und einen persönlichen Ausdruck zu finden. Kreative Phasen beinhalten auch viele reflexive fast meditative Pausen […]., die uns eine willkommene Gelegenheit geben, unsere Batterien aufzuladen. Kreativität spielt also eine wichtige Rolle, damit Kinder ihr Selbstgefühl entwickeln und weniger abhängig davon werden, so sein zu wollen, wie die anderen, um akzeptiert zu werden. (Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen von Jesper Juul)

Und genau der letzte Satz ist gerade mein Thema: Selbstgefühl, um weniger abhängig davon zu sein, so sein zu wollen, um von anderen akzeptiert zu werden. Und so schließt sich der Kreis und ich bin dankbar, um mein Gefühl, darum, es wahrgenommen zu haben und dafür, es als Chance zu begreifen.

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6 Antworten zu Lebenslangweilig

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  4. pferderosshaar schreibt:

    Gut beobachtet, finde ich. Sowohl die Tatsache dass Eltern sein (insbesondere Mutter, so höre ich zumindest) gleichzeitig nervenzehrend und öde ist mitunter, und dass man Kinder nicht vollbespaßen muss … 🙂

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