Ich habe kein schlechtes Gewissen

Während ich dies hier schreibe, sitze ich im Zug Richtung Stuttgart. Ich (Einzahl, Singular, will sagen: allein) verbringe das lange Wochenende bei meiner großen Schwester, die ich erst vor etwa drei Jahren wiederfand und die ich aufgrund der räumlichen Entfernung selten sehe. Heute Abend (Donnerstag) werden wir bei einem kleinen Italiener starten, mir schweben Antipasti, Wein (viel Wein) und köstliches Essen (warm und sitzend verspeist) vor. Freitag ein wenig Beauty, danach shoppen und dann mal sehen, was der Tag noch so bringt. Samstag gehen wir auf den Markt, schauen, was uns anlacht und kochen was daraus, anschließend gehen wir wandern. Sonntagmorgen fahre ich wieder zurück.

Nicht geplant und dennoch willkommen war die Mini-Dienstreise Dienstag und Mittwoch. Ich hatte einen Termin am Bodensee und dabei sogar Zeit, Christine vom Blog Mama arbeitet kennenzulernen und mich in Konstanz umzusehen.

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Kurzum: Ich war und bin diese Woche ungewöhnlich selten daheim. Weil ich mich so auf diese Zeit freute, erzählte ich davon zwei- bis dreiundfünfzig Mal in meinem Freundes- und Bekanntenkreis und wurde nicht nur einmal gefragt: Hast du den Kindern gegenüber kein schlechtes Gewissen?“

Da mir das nicht zum ersten Mal begegnet und ich die Gewissensfrage auch gerne im Zusammenhang mit meiner Teilzeitarbeit gestellt bekomme, möchte ich dazu ein paar Gedanken verbloggen.

Nein, ich habe kein schlechtes Gewissen, ich verstehe nicht einmal die Frage! Die Kinder wurden und werden diese Woche vom Papa betreut, er ist genauso Elternteil wie ich und ich sehe da überhaupt keinen Mangel, den die Kinder „erleiden“. Auch, als ich letztes Jahr in Berlin war und die Kinder drei Tage bei Oma und Opa, hatte ich kein schlechtes Gefühl, alle Vier (Oma, Opa und die zwei Mädels) haben sich riesig gefreut, noch heute fragen die Kinder mich regelmäßig, wann sie das nochmal machen können. Im Gegenteil, ich erlebe meine Kinder nach solchen Tagen immer als sehr bereichert, ihr Wortschatz ist erweitert, sie haben viele tolle Erfahrungen gemacht und nebenbei eine Mutter, die ebenfalls sehr bereichert ist, weil sie ihr Ich ein wenig polieren konnte.

Im Geburtsvorbereitungskurs gab es einen vom Therapeuten geleiteten „Partnerabend“. Der Therapeut erklärte, dass es in einer Familie unterschiedliche Anteile gibt: Eltern-, Partner-, aber auch Ich-Anteile. Werden alle Anteile verhältnismäßig ausgeglichen gelebt, tut das der Familie gut und führt zur Zufriedenheit aller. Es ist quasi meine verdammte Pflicht, dieses Wochenende zu erleben. 😁

Nein, Scherz beiseite: Für die Kinder ist bestens gesorgt und ich bin nicht nur Mutter und Partnerin, sondern immer noch ein Ich und habe diesbezüglich klare Bedürfnisse. Zudem bin ich der Meinung, dass ich nicht das Universum meiner Kinder bin. Natürlich bin ich als Mutter für meine Kinder wichtig, aber nicht ausschließlich. Ich will kein Eltern-Monopol in der Familie sein.

In dem Zusammenhang höre ich von Müttern oft Sätze wie „Ich liebe meine Kinder, aber ich bin froh, wenn ich einmal…“

Ich finde es völlig überflüssig, erwähnen zu müssen, dass man als Elternteil seine Kinder liebt. Wie schrecklich ist es, wenn ich als Mutter nicht einmal meine eigenen Bedürfnisse äußern darf, ohne gleichzeitig beteuern zu müssen, dass ich meine Kinder liebe. Was schwebt denn da für eine Erwartung mit -sowohl den Müttern gegenüber als auch den Kindern – und wo kommt das her?

Ich freue mich auf jeden Fall riesig auf mein Wochenende und finde zudem, dass ich es verdient habe – mit gutem Gewissen.

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21 Antworten zu Ich habe kein schlechtes Gewissen

  1. Frl. Null.Zwo schreibt:

    Ich wünsche Dir einen Haufen Spass, auch etwas Erholung aber vor allem ganz viel Frau-/ Ich- anstatt Mama- Sein!

  2. Echium schreibt:

    Genieß es ausführlich und ein schlechtes Gewissen musst wirklich nicht haben.

  3. momatka schreibt:

    Du schreibst mir aus dem Herzen. Ich finde diese Fragen und Rechtfertigungen auch s vollkommen überflüssig. Jede Mutter hat die verdammte Pflicht für sich selbst zu sorgen und es ist furchtbar, dass nicht alle Mütter die Chance dazu haben. Ich wünsche dir ein tolles Restwochenende. Viel Spaß, Erholung, Sonne und gute Gespräche !!
    (leicht neidische) Grüße aus dem verregneten Ruhrgebiet. Momatka

  4. Christian Hanne schreibt:

    Als Vater ist mir noch nie die Frage gestellt worden, wenn ich mal auf Dienstreise musste, ob ich deswegen ein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Kindern habe (geschweige denn gegenüber der Mutter, die sich dann alleine um die Kinder kümmern musste). Von daher finde ich es fast schon unverschämt einer Mutter so eine Frage zu stellen. Deswegen: Viel Spaß bei den kinderfreien Tagen!

  5. Debora Faber schreibt:

    Wow. Gibt es echt noch Leute die so denken? Ich weiss nicht ob das so nen Ost- Westding ist, aber in meiner Peer Group bin ich das noch nie gefragt wurden und es ist irgendwie selbstverständlich das man sich als Elternteil auch mal auf ne Auszeit von den Kids freut.

  6. Ein sehr schöner Bericht (und ein Wochenendplan zum Neidischwerden!!). Ich versuche auch immer viel Zeit für mich einzuplanen, weil Kinder immer nur so entspannt sind, wie die Mutter es ist. Aber ich muss sagen, dass auch mich immer noch oft das schlechte Gewissen plagt _obwohl ich weiß, dass es mein gutes Recht und zum Wohle Aller ist. Das wird sicher noch ein paar Generationen dauern, bis die (mütterliche) Selbstliebe in uns allen verankert ist.
    Und jetzt viel Spaß bei deiner Schwester!
    Viele Grüße
    Christine

  7. Mamatanzt schreibt:

    Ich wünsche Dir ein wunderbares Wochenende!

  8. Ich wünsche Dir ein schönes langes Wochenende. Genieße es, denn einen Grund für ein schlechtes Gewissen gibt es nun wahrlich nicht.

  9. S.b.k.v.S. schreibt:

    Ganz genau! Du sprichst mir aus der Seele!

  10. Floyd schreibt:

    Sehr schön. Schöner Text mit vielen Wahrheiten. Und natürlich ganz viel Spaß mit deiner Schwester. Ach ja, willkommen in Stuttgart 😉

  11. wortmeer schreibt:

    Hab viel viel Spaß und Punkt 🙂

    Liebe Grüße,
    Doreen

  12. hehocra schreibt:

    Hab viel viel Spaß noch. Und Punkt.
    🙂

    Liebe Grüße,
    Doreen

  13. hehocra schreibt:

    Hab noch viel viel Spaß. Und Punkt. 🙂
    Liebe Grüße
    Doreen

  14. Paula "Mami COOL" schreibt:

    “Ich will kein Eltern-Monopol in der Familie sein.”
    Wie schön du das geschrieben hast, Tina. Schließlich hat jedes Kind zwei Elternteile und wir würden unseren Männern unrecht tun, würden wir ihnen nicht zugestehen, sich um die eigenen Kinder fürsorglich kümmern zu können.
    Mein Mann hat unsere frühgeborenen Kinder mit den ersten Tropfen Muttermilch versorgt.
    Er hat eine kleine Spritze mit von mir abgepumpter Muttermilch in die Intensivstation der Kinderklinik gebracht und sie ihnen verabreicht, während ich die Zeit noch im Krankenbett verbringen musste.
    Von diesem Moment an wusste ich, dass ich Verantwortung mit gutem Gewissen abgeben kann.
    Gruß Paula

  15. Frische Brise schreibt:

    Sehr gut!

    Genieße Deinen Ausflug! Wenn Dein Akku aufgeladen ist, bist Du ausgeglichen, was allen zu Gute kommt.

    Ich fahre ein Mal im Jahr ein Wochenende alleine nach Berlin. Ein schlechtes Gewissen hatte ich noch nie. Aber Sehnsucht. Ein bisschen 😉

  16. Pingback: Das Bloggen der Anderen (3) | Familienbetrieb

  17. vomwerdenzumsein schreibt:

    Ich danke euch allen für die wundervollen und zahlreichen Kommentare, die guten Wünsche und den Zuspruch. Ich hatte ein ganz tolles, sehr erholsames und vorallem entspanntes Wochenende. Ich bin gerade so dermaßen zen – Meditation macht mich. 😀

    Viele Grüße euch allen
    Tina

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  21. cHHrissi schreibt:

    Eine kleine Begebenheit dazu am Rande:
    „Hey, DU hier im Fitnessstudio! Sonst treffe ich ja immer Deinen Mann! Wo ist der denn heute?“
    „Hallo, ähm, mein Mann passt heute auf die Kinder auf.“
    „Das ist ja nett von ihm!“
    „…“

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